Unser Symposium: Klimaneutralität im Tourismus wird greifbar

Klimaneutralität im Tourismus bis zum Jahr 2045 - für viele ist das Mammutaufgabe und möglicherweise unmöglich. Aber das politische Ziel ist gesetzt und gilt zunehmend als alternativlos. Unser Symposium "Auf dem Weg zum klimaneutralen Tourismus" in Ulm hat Lösungsansätze und Motivationen geliefert. Das große Ziel bleibt eine Herausforderung, aber sie erscheint machbarer.

Fast 150 Teilnehmende haben in Ulm Lösungen skizziert, Verantwortungen und Herausforderungen definiert und gemeinsam diskutiert.

Auch Dieter Janecek, Koordinator der Bundesregierung für die Maritime Wirtschaft und Tourismus, hob in seiner Videobotschaft die Relevanz von praktischen Ideen, die Klimaschutz und Komfort entlang der gesamten Reisekette verbinden, hervor.

„Wir müssen reden, so begann Prof. Dr. Heinz-Dieter Quack, Leiter des Kompetenzzentrums Tourismus des Bundes zum Auftakt (siehe Folien). Er verdeutlichte die Notwendigkeit für mehr Klimaschutz im Tourismus. In diesem Sinne war das Programm auf die Schwerpunkte „Nachhaltig“, „Verantwortungsvoll“ und „Innovativ“ ausgerichtet. Dies seien drei zentrale Pfeiler auf dem Weg zu Net Zero, dem klimafreundlichen Tourismus, so Quack.

DIE AUSGANGSSITUATION 
"Die Welt dekarbonisiert mit oder ohne uns", sagte Jeremy Sampson, CEO der Travel Foundation in seiner Keynote-Rede (siehe Folien). Die Studie "Envisioning Tourism in 2030 and Beyond" seiner Travel Foundation hat weltweit für Aufsehen gesorgt, modelliert sie doch ein massives globales Tourismuswachstum und somit eine enorme Lücke in der Dekarbonisierung mit einem Business-as-usual Ansatz.

Dennoch konnte Sampson einen realistischen Weg in die globale Klimaneutralität zeichnen, in einem fein abgestimmten Mix aus 40 Maßnahmen in den sechs Kategorien: Kompensation von Treibhausgasen, der Elektrifizierung und Effizienz im Angebot, dem klimaschützenden Ausbau von Infrastruktur, der Entwicklung nachhaltiger Treibstoffe, der Erhebung von Steuern und Abgaben sowie der gezielten Förderungen sowie klimafreundlichen Reiseverhaltens. Diese Maßnahmen beruhen auf den aktuellen technologischen Stand. Bei konsequenter gemeinsamer Umsetzung aller Maßnahme könne das Ziel Net Zero tatsächlich erreicht werden. Eine Punktlandung bis zum Jahr 2045 sei bislang aber nicht zuverlässig zu berechnen, sagte Simpson. Hierfür bedarf es eines weiteren Faktors: Der Unberechenbarkeit und der schnellen Verfügbarkeit von Innovationen. Das Modell bleibe aber dynamisch. Eine Anpassung an den international vereinbarten Zeitkorridor bis zum Jahr 2050 oder sogar 2045 sei durchaus möglich.

DIE INTERNATIONALE PERSPEKTIVE
In der Paneldiskussion "Climate Action in einer internationalen Perspektive" beleuchteten die Experten Dr. Jens Thraenhart, ehemaliger CEO des Barbados Tourism Marketing, Dr. Dirk Glaeßer, Direktor für Nachhaltigkeit bei der UNWTO und Jeremy Sampson, CEO der Travel Foundation die Kernpunkte zur Klimaneutralität. Unter Moderation von Dirk Rogl (Kompetenzzentrum Tourismus des Bundes) diskutierte die Runde die wirtschaftliche und soziale Relevanz des Tourismus in Zielgebieten, die Erfolgsmessung touristischer Aktivitäten und die Notwendigkeit der klimaschützenden Veränderung von Angebot und Nachfrage.

Neue Indikatoren für wirtschaftlichen Erfolg müssten geschaffen werden, hieß es. Wachstum in Umsatz und Gästen seien allein nicht mehr zeitgemäß, aber aus Sicht der Destination weiterhin wünschenswert. Durch die Etablierung globaler Standards und eine gezielte Förderung klimaschützender Angebote seien Erfolge zu erzielen.

DER BLICK AUF DEN HEIMATMARKT
Welche Fortschritte und Herausforderungen speziell in Deutschland, Österreich und der Schweiz (DACH) zu berücksichtigen sind, diskutierte ein deutschsprachiges Panel mit Katrin Erben, Expertin für Nachhaltigkeit der Österreich Werbung, Swantje Lehners, Geschäftsführerin Futouris, Prof. Dr. Wolfgang Strasdas, Leiter Zentrum für Nachhaltigen Tourismus und Peter Strub, COO Studiosus Reisen. Das Panel näherte sich unter der Moderation von Prof. Dr. Harald Pechlaner. Wissenschaftlicher Leiter des Kompetenzzentrum Tourismus des Bundes, den zentralen Faktoren Mindset in der Branche, Buchbarkeit und Kosten von klimafreundlicheren Reisen sowie der Rolle der Destinationen.

Von Relevanz sei es eine gute Balance zwischen sozialer, ökonomischer und ökologischer Nachhaltigkeit zu finden. Dazu gelte es Anreize zu schaffen und die Transparenz in der Angebotsdarstellung zu verbessern. Auch im Angebot wurden Defizite deutlich: Alternativen zur klimaintensiven Fluganreise müssen geschaffen werden. Insbesondere das Bahnangebot wurde als unzureichend bewertet.

In drei Workshops haben die Teilnehmenden wichtige Erkenntnisse erarbeitet.

STRATEGIEN UND MASSNAHMEN AUF DEM WEG ZUM KLIMANEUTRALEN TOURISMUS

1. Nachhaltig - Transparenz und Orientierung als Basis für klimaneutralen Tourismus
 Swantje Lehners, Geschäftsführerin Projekte & Kooperationen, Futouris e.V. und Vorstandsvorsitzende, KlimaLink e.V., verdeutlichte die Herausforderungen und aktuellen Fokusthemen auf dem Weg zu einem Branchenstandard für die Darstellung eines Klimafußabdrucks, der Klimawirkung der gesamten Customer Journey beinhaltet Diskutiert wurden sowohl Standards und Datenquellen, als auch die Rolle der Reisenden. Einfachheit in der Buchung von klimafreundlichen Angeboten müsse geschaffen werden, so der Konsens. Auch der Individualgast, der mit dem PKW anreist, benötige Emissionsdaten.

Hinsichtlich der kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen erarbeiteten die Workshopteilnehmenden viele Vorschläge, die von Schulung der DMO-Mitarbeitenden bis hin zu politischen Interventionen und Anreizen reichen. Insgesamt verdeutlichte der Workshop die Relevanz von Koordination und Datenstandards auf dem Weg zu klimaneutraleren Reisen.

2. Verantwortungsvoll - Leadership und Unternehmenskultur auf dem Weg zum klimaneutralen Tourismus
Reinhard Lanner, Founder Workersonthefield und ehemaliger Chief Digital Officer der Österreich-Werbung hob in seinem Impuls unterschiedliche Rollen von Verantwortung hervor. Operative, strategische und normative Aspekte müssten gleichermaßen gestärkt und in Einklang gebracht werden. Eine systemische Managementanalyse für möglichst alle Instanzen des Tourismus, von Politik bis hin zu den Leistungsträgern, könne helfen, Verantwortung auf dem Weg zu Net Zero in Einklang zu bringen.

Im Workshop wurde ersichtlich, dass die großen strategischen Fragen und deren Implementierung im Alltagsgeschäft häufig untergehen und so die langfristigen Ziele fehlen. Tatsächlich ist es eine Herausforderung, Verantwortungen zu erkennen und auch für sich selbst anzunehmen.  Der nachvollziehbare Reflex, dass allein die Politik Initiativen erkennt (normativ), diese einleitet (strategisch) und auch umsetzt (operativ), scheint zu kurz gedacht. Klimaschutz sei Teamwork, so der Konsens. Gefragt seien alle Instanzen sowohl auf globaler, nationaler, regionaler und örtlicher Ebene, von der Politik über die Wirtschaft bis hin zu Verbänden, Destinationen und der Forschung.

3. Innovativ - Digitalisierung und Innovationen für klimaneutralen Tourismus
Hartmut Wimmer (Founder & CEO Outdooractive), hob in seinem Impuls  die Relevanz digitaler Innovationen hervor. Diese seien essentiell, um die definierten Klimaschutzziele zu erreichen. Die Bildung von Allianzen und Kollaboration wurde als zentraler Erfolgsfaktor genannt, um Innovationen zu entwickeln und umzusetzen.

Innovation bedeute unternehmerisch denkende Netzwerke, die auch Politik und Wissenschaft einbeziehen. Bürokratische Bremsen gelte es dabei abzubauen. Der Rechtsrahmen etwa das Vergaberecht, seien zu starr, um digitale Lösungen effizient und schnell zu entwickeln. Die öffentliche Hand sei in der Pflicht. Das gelte auch für die Destinationen, die sich zunehmend als “Sustainability Management Organisation” definieren sollten, hieß es.

FAZIT: ES GEHT NUR GEMEINSAM
Klar ist, dass Klimaneutralität nur gemeinsam gelingen kann. Und das längst nicht auf nationaler Ebene, sondern auch auf internationaler Ebene. Es gehe darum, klare Ziele zu definieren, diese umzusetzen und die Wertschöpfungskette des Tourismus bestmöglich zu verändern, sagte Nejc Jus, Head of Research des World Travel & Tourism Council (WTTC) zum Abschluss.

Dass der Tourismus auf viele Nachhaltigkeitsziele positiv einzahle, ist dabei ohnehin klar. Laut WTTC wird der Tourismus in diesem Jahr mit 9,5 Trillionen US-Dollar zur globalen Wertschöpfung beitragen und dabei 320 Millionen Arbeitsplätze sichern, zunehmend auch für weibliche Beschäftige und die Jugend. Die Narrative auf dem Weg zur Klimaneutralität im Tourismus werden andere sein. Für sie gilt es nun Akzeptanz zu finden, und Wege der Umsetzung. Ein Anfang ist gemacht.

 

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