Die deutsche Corona-Warn-App was sie kann und tut
Die Nutzung ist nur bedingt vom Arbeitgeber durchsetzbar
Nach wochenlangen Vorbereitungen geht die offizielle deutsche Warn-App für den Kampf gegen das Coronavirus an den Start. Die Bundesregierung stellt die neue Anwendung am Dienstag (10.30 Uhr) in Berlin vor. In den App-Stores von Google (Download hier) und Apple (Download hier) stand die Anwendung bereits in der Nacht zur Verfügung. Das Herunterladen soll für alle Bürger freiwillig sein, um mithilfe von Smartphones das Nachverfolgen von Infektionen zu erleichtern. Die Regierung wirbt für eine breite Nutzung und verspricht hohen Datenschutz. Das müssen Sie über die App wissen.
Warum hat es so lange gedauert, bis die App zur Verfügung stand?
Zu Beginn der Corona-Krise hat sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zunächst an Apps orientiert, die mithilfe von Geo-Informationen (GPS oder Mobilfunkzelle) tracken, wo Infizierte sich aufgehalten haben und wen sie dabei getroffen haben. Es stellte sich aber schnell heraus, dass dieses Verfahren technisch zu ungenau ist und Datenschutzprinzipien verletzt. Der Chaos Computer Club wertete die ersten Ansätze als „zentralisierten Überwachungsalbtraum“, den Spahn ursprünglich geplant habe. Die Wahl fiel dann auf die Bluetooth-Technik, die präziser als GPS und Mobilfunkortung ist.
Hat das technische Konzept Schwachstellen?
Bei einem technischen Audit durch TÜV-IT wurden zwar zwischenzeitlich etliche Lücken gefunden, die aber vor Veröffentlichung der App alle geschlossen werden konnten. Nach Einschätzung des Chaos Computer Clubs können Schwachstellen aber nie ganz ausgeschlossen werden. „Entscheidend ist, wie gut sie skalieren und wie groß das Schadenpotenzial für die Nutzerinnen ist“, sagt Club-Sprecher Linus Neumann. Dank Dezentralität und Datensparsamkeit sei das Risiko für die Daten der Nutzer und Nutzerinnen minimiert – selbst wenn jetzt noch Schwachstellen gefunden würden. „Im zentralisierten Ansatz würde jede potenzielle Schwachstelle schwerer wiegen.“
Was passiert, wenn ein Anwender positiv getestet wurde?
In diesem Fall trägt man diesen Status selbst in die App ein. Das Meldesystem will dabei verhindern, dass versehentlich oder absichtlich eine falsche Infektionsmeldung in das System gelangt. Um einen Missbrauch oder Irrtum zu verhindern, muss dieser Status offiziell bestätigt werden. Das geschieht zum einen über einen QR-Code, den man vom Testlabor erhält. Alternativ kann man auch eine TAN eingeben, die man von einer Telefon-Hotline bekommt, da nicht alle Labore in der Lage sind, QR-Codes zu generieren. Im Infektionsfall erhalten die betroffenen Kontakte einen Hinweis, dass sie sich testen lassen sollen.
Kann man zur Verwendung der App gezwungen werden?
Die Bundesregierung hat mehrfach betont, dass die Installation und Verwendung der App freiwillig sind und dass es keinen App-Zwang geben darf. Auch positive Anreize wie Steuererleichterungen oder andere Vergünstigungen hat die Koalition ausgeschlossen. „Klar ist: Ein Zwang zur Nutzung der App würde dem Vertrauen maximal schaden“, sagt Linus Neumann, der Sprecher des Chaos Computer Clubs. „Nach unserer Kenntnis plant das zurzeit auch niemand.“
Die Grünen und Linken, Verbraucherschützer und Organisationen wie Amnesty International fordern aber, dass der Einsatz der App durch ein Gesetz geregelt wird. So müsse nicht nur die Installation der App freiwillig sein. Es dürfe auch keine Verpflichtung geben, ein Smartphone mit laufender App mit sich zu führen und bei Restaurantbesuchen, beim Einkaufen oder Veranstaltungen vorzuzeigen.
Wie viele Menschen müssen die App nutzen, damit das Konzept funktioniert?
Eine britische Studie geht von 40 Millionen Nutzern aus. Erst wenn sich 60 Prozent der Bevölkerung oder mehr beteiligten, werde der volle Effekt erreicht. Die Forscher aus Oxford sagen aber auch: „Selbst bei einem geringeren Anteil gehen wir davon aus, dass die Zahl der Infektionen und Todesfälle sinkt.“
Regierungssprecher Steffen Seibert verwies am Montag auf inzwischen veränderte Rahmenbedingungen: „Das war eine vollkommen andere Zeit mit einem viel, viel höheren Reproduktionsfaktor.“ Die Berechnungen aus Oxford gingen auch von der Annahme aus, dass es gar keine anderen Mittel des Kampfes gegen die Pandemie gebe. Der Nutzen der App wird aber umso größer sein, je mehr Nutzer sie habe. „Deswegen hoffen wir, dass viele Menschen sich überzeugen lassen. Aber sie hat ihren Nutzen bereits weit unterhalb dieser Marke von 60 Prozent.“
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Darf der Arbeitgeber die Nutzung anordnen?
Die Bundesregierung betont dabei, dass die Nutzung einer App freiwillig bleiben soll. Das hat auch einen guten Grund, denn es gibt kein Gesetz, das die Bundes- oder Landesregierungen ermächtigen könnte, Menschen dazu zu zwingen, eine Anwendung zu installieren. Eine andere Frage, die im Raum steht, dreht sich um das Weisungsrecht des Arbeitgebers. Kann er die Nutzung einer möglichen Corona-App anordnen, um beispielsweise aus Fürsorgepflicht das Infektionsrisiko in der Belegschaft zu minimieren? „Dem Arbeitgeber steht zwar ein Weisungsrecht gegenüber seinen Mitarbeitern zu. Das ist aber zunächst auf den betrieblichen Bereich beschränkt, wohingegen das Privatleben grundsätzlich seinen Weisungen entzogen ist“, erklärt Catharina Klumpp, Partnerin bei Bird & Bird und Expertin für kollektives Arbeitsrecht, im t3n-Gespräch.
Eine einseitige Anordnung zur Nutzung einer Corona-App sieht sie mit immensen rechtlichen Bedenken. „Einen wirklichen Nutzen kann eine solche Anwendung allenfalls bieten, wenn nicht nur das berufliche, sondern auch das Freizeitverhalten erfasst wird“, so Klumpp. Das stelle jedoch per se einen erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dar, der nur in extremen Fällen vom Weisungsrecht des Arbeitgebers gedeckt sein kann. Die Frage der generellen Zulässigkeit einer solchen Weisung setze eine umfassende Interessenabwägung voraus. Dabei geht es um das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers, das Grundrecht des Arbeitgebers auf unternehmerische Freiheit und die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, die Gesundheit seiner Arbeitnehmenden zu schützen, erklärt Klumpp gegenüber t3n weiter.
Die Installation einer Corona-App lässt sich nur schwer anordnen.
Grundsätzlich haben Beschäftigte keine Pflicht gegenüber dem Arbeitgeber, ihre eigene Gesundheit zu schützen und ihre Arbeitskraft zu erhalten. So entspricht es der ständigen Rechtsprechung, dass sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch bei der Ausübung von Risikosportarten – beispielsweise Skifahren oder Drachenfliegen – nicht pflichtwidrig verhalten. Aus Sicht des Arbeitgebers könnten sich legitime Interessen und Pflichten also nur auf den Erhalt der Arbeitsfähigkeit des übrigen Teams und den Gesundheitsschutz gegenüber Geschäftspartnern und Kunden beziehen. Zudem würde sich die Frage nach der Erforderlichkeit stellen. Die läge laut Klumpp vor allem dann vor, wenn keine andere geeignete Maßnahme zur Verfügung steht, um den angestrebten Zweck zu erreichen. „Die Notwendigkeit der Nutzung der App dürfte von Betrieb zu Betrieb zudem unterschiedlich sein“, fügt die Rechtsexpertin hinzu.
Könne ein ausreichender Abstand zwischen den Mitarbeitenden gewährleistet werden und haben sie keinen Kundenkontakt, so genügt es unter Umständen, darauf hinzuweisen, die Abstände konsequent einzuhalten, erklärt Klumpp. Dann würde sich die Anordnung einer Corona-App-Installation verbieten. In Berufsfeldern, in denen Kontakt unvermeidbar ist und das Wissen um eine mögliche Infektion essenziell für den Schutz der Patienten ist, könne eine Anordnung sinnvoll sein – etwa in einem Pflegeheim. Jedoch nur, wenn keine andere geeignete Maßnahme greifen würde, so die Juristin. „Von vornherein ausgeschlossen sein dürfte, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmenden verpflichtet, eine Corona-App auf seinem privaten Smartphone zu installieren.“ Neben dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers wäre auch sein grundrechtlich geschütztes Eigentumsrecht angegriffen.