Preisbindung für Architekten und Ingenieure gekippt

 Der Europäische Gerichtshof hat das bindende Preisrecht der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure - kurz: die HOAI - in Deutschland gekippt. Das bedeutet, dass Planer ihre Honorare künftig selbst aushandeln müssen und die HOAI in ihrer alten Form lediglich als grobe Orientierung dient. Denn nach dem am 4. Juli verkündeten Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) verstoßen die verbindlichen Honorarsätze für Architektur- und Ingenieurleistungen in Deutschland gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie. Bauherren sind ab sofort nicht mehr verpflichtet, eine diesen Sätzen entsprechende Vergütung zu akzeptieren.

Doch was bedeutet das genau? Können Hoteliers künftig billiger planen als bisher?

Christian Reuter, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht aus Düsseldorf, macht der Branche wenig Hoffnung: "In hochpreisigen Segmenten - insoweit sind sicherlich auch Teile der Hotellerie betroffen - werden die Planungshonorare meines Erachtens – wenn überhaupt – wenig sinken. Möglicherweise wird der prognostizierte tatsächliche Aufwand bei der Honorarfindung (über individuelle Büro-Stundensätze) eine größere Rolle spielen als früher." Reuter ist überzeugt: "Allgemein wird eine Spreizung der Honorare erwartet."

Peter Joehnk, Geschäftsführer von Joi-Design aus Hamburg, findet, dass die HOAI im internationalen Geschäft langfristig sowieso keinen Bestand haben konnte. "Wenn deutsche Büros an ein Preisrecht gebunden sind, der Rest der Welt jedoch nicht, dann bleiben irgendwann nur noch Deutschland interne Behördenaufträge, die auch nach HOAI abrechnen müssen", sagt Joehnk auf Anfrage der AHGZ. "Zudem wollten und konnten unsere oft angelsächsischen Auftraggeber die HOAI nicht lesen. Insofern waren wir schon bei sehr vielen Projekten gezwungen, unsere Leistung detailliert zu beschreiben und dafür einen Preis zu machen, wie es im angelsächsischen Rechtssystem üblich ist."

Hinzu käme, dass die HOAI bei Hotels eigentlich nur für die öffentlichen Bereiche Anwendung findet. Bei Hotelzimmern sei eine hundertfache Wiederholung im Rahmen der HOAI nicht vorgesehen. "Insofern wird sich für uns wohl nicht besonders viel ändern, wir verlieren nur ein Stück Sicherheit, für den Fall, dass wir uns in Deutschland mit einem deutschen Investor streiten würden und dann ein generelles, verbindliches Preisrecht nicht mehr existiert", so Joehnk weiter.

Große Chance für kleine Büros

Auch Viki Kitzig, COO bei Kitzig Interior Design, glaubt nicht, dass das Urteil bahnbrechende Auswirkungen haben wird.  "Auch jetzt ist schon ein gewisser Handlungsspielraum innerhalb der HOAI gegeben. Da ich Angebote von Kollegen aus dem internationalen Ausland kenne, weiß ich, dass diese nicht unbedingt günstiger sind", so Kitzig.  Im Gegenteil: Die HOAI habe dem Bauherren ihrer Meinung nach eher Vorteile gebracht. Sie schaffe Transparenz für den Kunden, definiere ein genaues Leistungsbild und mache unterschiedliche Angebote vergleichbarer. Der Bauherr habe so die Möglichkeit Leistungen direkt zu vergleichen und sich so ein objektiveres Urteil zu bilden. "Ich sehe die Herausforderung, dass der Einkauf nicht unbedingt nach der erbrachten Leistung entschieden wird, sondern die finanziellen Aspekte ein starker Treiber sein werden. Dies stellt für den Kunden allerdings nicht unbedingt die beste Lösung dar", so Kitzig. Sie ist überzeugt: "Bei Angeboten sollte nicht nur der Designentwurf in den Vordergrund rücken, sondern auch die Qualität der einzelnen Leistungen ausreichend berücksichtigen."

Alexander Dörr, Rechtsanwalt der Stuttgart Kanzlei Menold Bezler, glaubt jedoch, dass dem Markt für Planungsleistungen ein tiefer Strukturwandel bevorstehe. "Zurzeit ist ein Preisdumping wegen der bommenden Baukonjunktur zwar nicht zu erwarten. Wenn sich das Ganze abkühlt, könnte es in Richtung Preiskampf gehen", sagte Dörr der Immobilien-Zeitung in ihrer aktuellen Ausgabe. Er glaubt, dass das EuGH-Urteil zudem die Chance biete, dass auch kleinere Büros in Märkte reinkommen. "Sie können ohne Dumping Preisvorteile bieten, weil sie keinen großen Verwaltungsapparat haben. So können sie nach und nach in größere Aufträge reinwachsen."