Im Hotelfach kann der Aufstieg auch ohne Studium gelingen
Nicht in allen Berufen ist der Zugang eindeutig geregelt. Eine Ausbildung kann in einigen Branchen die bessere Wahl sein als ein Studium. Für die richtige Entscheidung sollten Absolventen sich einige Fragen stellen.
Dass Nadine Linke in der Tourismusbranche landen würde, hat wohl niemanden sonderlich überrascht. In Indien als Tochter zweier reisebegeisterter Gastronomen geboren, wurde ihr das Fernweh praktisch in die Wiege gelegt. Und in welcher Branche ist man da besser aufgehoben als in der Hotellerie?
So informierte sich die heute 18-Jährige auf Messen über potenzielle Arbeitgeber und die Ausbildungswege nach dem Abitur und entschied sich schließlich für ein duales Studium der Betriebswirtschaftslehre mit Fachrichtung Tourismus.
„Ich wollte auf jeden Fall in den Tourismus und gleichzeitig studieren“, erzählt sie. „Es ist sehr stressig und zeitintensiv“, sagt sie über ihr Studium. Und rät jedem, sich vor der Ausbildung gut über die verschiedenen Wege zu informieren.
Ihr selbst reichte eine Ausbildung als Hotelfachfrau nicht. Denn sie will die großen wirtschaftlichen Zusammenhänge verstehen, und Mathe lag ihr schon immer. Tief in Themen eintauchen zu wollen – das ist laut der Bundesagentur für Arbeit mitunter ein Grund, der für ein Studium spricht. Daneben sollte man für ein Studium ein großes Maß an Disziplin und Selbstorganisation mitbringen.
Sandra Warden, Geschäftsführerin vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga), würde jungen Menschen zuerst zu einer Lehre raten: „Wer nicht schon praktische Erfahrungen in diesem Bereich hat, zum Beispiel durch längere Praktika oder regelmäßige Ferienjobs, dem empfehlen wir, sich in einer Ausbildung mit der Branche auseinanderzusetzen.“
Auszubildende durchlaufen alle Abteilungen und erhalten einen guten Überblick in die betrieblichen und operativen Abläufe. Betten machen und Bäder putzen – das gehört da genauso dazu wie kaufmännische Tätigkeiten im Büro.
Die enge Verzahnung zwischen Theorie und Praxis ist für Warden ein weiterer Vorteil einer dualen Berufsausbildung. Die Stundenpläne sind ihrer Ansicht nach besser aufeinander abgestimmt als im Studium, wo unter Umständen Inhalte im ersten Studienjahr gelehrt werden, die erst im dritten Jahr der Ausbildung zur Anwendung kommen.
Unter Umständen ist auch der Zugang zur Ausbildung leichter. Für die meisten dualen Berufsausbildungen wird formal kein Schulabschluss vorgeschrieben. Dennoch erwarten viele Betriebe mindestens einen Hauptschul- oder Realschulabschluss – oder das Abitur.
Generell gibt es einen Trend zur Akademisierung. Die Zahl der Studienanfänger ist im letzten Jahrzehnt gestiegen – von rund 1,9 Millionen im Jahr 2007 auf 2,8 Millionen im Jahr 2017, erklärt Hannelore Mottweiler vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB).
Studium nicht immer Voraussetzung für leitende Position
Entsprechend ist ein Hochschulabschluss heute manchmal weniger wert als früher. Zwar ist er formal die bessere Qualifikation, gerade für leitende Positionen. „Gemäß des Deutschen Qualifikationsrahmens für lebenslang.
Das muss aber nicht zwingend bedeuten, dass jemand mit Hochschulabschluss andere Tätigkeiten ausübt als jemand mit einer Ausbildung. In Branchen wie der Mediengestaltung gebe es mittlerweile so viele Absolventen aus Medien- und Grafikstudiengängen, dass diese immer häufiger Facharbeitertätigkeiten übernehmen. Wer sich für ein Studium entscheidet, sollte vorher zumindest immer ein längeres Praktikum absolviert haben.
Im Tourismus sind zum Beispiel bestimmte Charaktereigenschaften und Vorlieben gefragt. Wer großen Wert legt auf geregelte Arbeitszeiten von 9 bis 17 Uhr, der ist in diesem Sektor falsch. Hingegen sollte man ein gewisses Organisationstalent mitbringen, Kommunikation und extrovertiertes Verhalten nicht scheuen und vor allem stressresistent sein. Nachtschichten und Arbeiten an Wochenenden und Feiertagen sind eher die Regel als eine Ausnahme – das lernt man in der Ausbildung von Beginn an.
Gerade im Hotelfach sei ein Studium zudem keine unbedingte Voraussetzung für einen leitenden Posten, sagt Dehoga-Geschäftsführerin Warden. Wenn man sich die Karrieren der heutigen Hoteldirektoren anschaue, sei es sehr verbreitet, dass sie mit einer Ausbildung zu Hotelfachleuten oder zu Hotelkaufleuten gestartet sind.
Auslandsaufenthalte im Studium üblicher
Einen wichtigen Unterschied zwischen der Ausbildung und dem Studium gibt es noch: Gerade wer sich für Auslandsaufenthalte während der Ausbildung interessiert, ist an der Hochschule womöglich besser aufgehoben.
Dort sind sie oftmals üblicher und besser mit dem Curriculum vereinbar als in einer Ausbildung. Einige Kommilitonen von Studentin Nadine Linke etwa wechseln in der Praxisphase nicht nur den Betrieb, sondern gleich das Land: In großen Hotelketten sei das kein Problem. Auch wenn es oft noch mehr Stress bedeutet.
Linkes Entscheidung für ein duales Studium war bewusst. Auch weil sie noch nicht weiß, ob sie ihr Leben lang in einem Hotel arbeiten möchte. Mit dem betriebswissenschaftlichen Studium lässt sie sich weitere Branchen für später offen.