Es gibt gute Gründe für ein Zwischenzeugnis im Betrieb

Eine schriftliche Bewertung vom Chef sollte man nicht erst einfordern, wenn man ein Unternehmen verlässt. Denn ein Zwischenzeugnis bringt Arbeitnehmern einige Vorteile. Sie sollten aber das richtige Timing wählen – und geschickt argumentieren.
Nach einem Zwischenzeugnis zu fragen kann heikel sein. Denn es kann vom Chef als Signal verstanden werden, dass man das Unternehmen verlassen möchte. Vielleicht hat man das tatsächlich vor, vielleicht will man sich nur nach neuen Stellen umsehen. In beiden Fällen ist man nicht verpflichtet, dem Vorgesetzten sofort davon zu berichten. Man sollte aber eine gute Begründung haben, um das Zeugnis anzufordern.

Christian Götz von der Rechtsabteilung der Gewerkschaft Ver.di empfiehlt Formulierungen wie „Ich möchte wissen, wo ich stehe“. Britta Clausen von der Arbeitnehmerkammer Bremen schlägt vor: „Ich bin jetzt so lange im Unternehmen, ich möchte meine Leistung einschätzen können.“

Ob der Chef einem allgemeinen Wunsch nachkommt, kann er selbst entscheiden. Verpflichtet ist er dazu nicht. „Einfach sagen: ,Ich will ein Zeugnis‘, reicht nicht aus“, erklärt Götz. Laut Gewerbeordnung hat man Anspruch auf ein Arbeitszeugnis, wenn man ein Unternehmen verlässt. Anspruch auf ein Zwischenzeugnis hingegen hat man nur, wenn es im Arbeits- oder Tarifvertrag festgelegt ist, oder wenn man ein „berechtigtes Interesse“ anführen kann.

Dazu zählt etwa, wenn der Vorgesetzte seine Stelle verlässt, man in eine andere Abteilung oder auf eine andere Position wechselt, in die Elternzeit geht oder die Firma verkauft wurde. In diesen Fällen ist es auch sinnvoll, sich ein Zeugnis ausstellen zu lassen, denn es ist unsicher, wie gut man mit dem neuen Vorgesetzten zusammenarbeiten wird oder wie man in der neuen Abteilung zurechtkommt.

Das Zwischenzeugnis bietet einen weiteren Vorteil. Wenn man gekündigt wird oder selbst kündigt, nachdem man erst vor kurzem ein Zwischenzeugnis bekommen hat, gilt: „Das Endzeugnis darf nicht ohne ersichtlichen Grund vom Zwischenzeugnis abweichen oder schlechter ausfallen“, sagt Clausen.

Zwischenzeugnis-Formalien: Präsens, ohne Abschiedsdatum
Ein Zwischenzeugnis kann in verschiedenen Situationen hilfreich sein. Ein Beispiel: Man hat sich mit dem Chef gut verstanden und sehr gut gearbeitet. Sein Nachfolger ist furchtbar, die Arbeit leidet und man beschließt, das Unternehmen zu verlassen. Bewerben kann man sich dann noch mit dem hervorragenden Zwischenzeugnis des alten Chefs. Ein anderer Fall: Man geht in die Elternzeit mit dem festen Vorsatz, nach einem Jahr wiederzukommen, aber findet zufällig eine andere interessante Stelle und möchte sich bewerben.

 Ein berechtigtes Interesse besteht auch dann, wenn die Auftragslage schlecht ist und man mit Entlassungen rechnen muss. Besser, man lässt sich das Zeugnis ausstellen, bevor sich die Firma auflöst oder die Arbeitsmoral sinkt. Clausen empfiehlt, in einem persönlichen Gespräch nach einem Zwischenzeugnis zu fragen. Dann kann man seinen Wunsch gut erklären. Wer seinen Chef in der Kaffeeküche oder bei einer Arbeitsbesprechung anspricht, macht ihn vielleicht nervös oder riskiert eine Ablehnung.

Formal unterscheidet sich das Zwischen- vom Arbeitszeugnis nur durch das, was es nicht enthalten kann – etwa das Datum, zu dem die Beschäftigung endet oder die guten Wünsche für die Zukunft. „Da das Zwischenzeugnis eine aktuelle Arbeitsleistung bewertet, muss es im Präsens geschrieben sein. Es sei denn, es behandelt Tätigkeiten oder Aufgaben, die man inzwischen nicht mehr ausübt“, sagt Clausen.

Wenn möglich, sollte auch darin stehen, warum das Zwischenzeugnis ausgestellt wurde, also etwa „aufgrund des Wechsels in die Abteilung x“, „aus Anlass der neuen Stelle als y“, „nach z Jahren in unserem Unternehmen“. So kann auch der nächste Arbeitgeber es besser einschätzen und muss sich nicht fragen, ob jemand weggelobt werden sollte. 
Das Zwischenzeugnis ist allerdings kein Beweis, mit dem man ein höheres Gehalt verlangen kann. „Sie finden mich doch gut, also bezahlen sie mich auch besser“ ist eine schlechte Taktik. Ein Chef, der sich von seinem Mitarbeiter auf diese Weise unter Druck gesetzt fühlt, wird wahrscheinlich erst recht nicht nachgeben.

Möglich ist es aber andersherum: Wenn der Chef denkt, dass man wechseln möchte, weil man ein Zwischenzeugnis verlangt hat, überlegt er vielleicht, ob er mehr Gehalt oder eine bessere Position anbieten kann, um jemanden zu halten.