ADFC-Radreiseanalyse 2023: Radtourismus wächst - die Bahn muss nachbessern
Der Radtourismus ist krisenfest und wächst. Besonders viele Radreisende fahren mit der Bahn, sind aber unzufrieden mit dem Angebot auf der Schiene. Wie hat sich das Radreiseverhalten verändert? Welche Regionen sind bei Radfahrenden besonders beliebt?
Deutschland ist ein Radreiseland. Das zeigen die Ergebnisse der jährlichen Radreiseanalyse des Fahrradclubs ADFC, bei der dieses Mal rund 12.500 Menschen teilgenommen haben – so viele wie nie zuvor. Zwei Drittel (67,9 Prozent) der Menschen in Deutschland nutzen das Rad für Ausflüge und Reisen. Die meisten Ausflügler:innen neigen zu Wiederholungstaten: Auf 38 Millionen Ausflügler:innen kommen insgesamt 445 Millionen Tagesausflüge – das sind im Schnitt fast 12 Ausflüge pro Person.
ADFC-Tourismusvorstand Christian Tänzler sieht darin ein starkes Zeichen: „Die Zahlen sprechen für sich: 38 Millionen Menschen in Deutschland haben im Jahr 2022 mindestens einen Tagesausflug mit dem Rad gemacht. Das zeigt deutlich, dass das Rad als umweltfreundliches Verkehrsmittel in der Freizeit immer beliebter wird. Und nicht nur das: Viele von denen, die in der Freizeit positive Erfahrungen beim Radfahren gemacht haben, entdecken das Fahrrad für den Alltag. Wer einmal mit dem Rad rausfährt, macht es immer wieder, im besten Fall auch bei der täglichen Mobilität.“
Radreisen sind im Trend
Auch für längere Reisen gewinnt das Rad wieder an Bedeutung. Nach einem pandemiebedingten Rückgang in den vergangenen Jahren ist jetzt ein klarer Aufwärtstrend erkennbar. 2022 haben sich 4,6 Millionen Menschen für eine Reise mit dem Rad entschieden, im Vorjahr waren es noch 3,9 Millionen. Damit haben die Zahlen fast das Vor-Corona-Niveau erreicht.
Anreise per Bahn: Beliebt trotz Beschwerden
Für die An- und Abreise nutzten viele Radreisende die Bahn. Die umweltfreundliche Alternative zum Auto wird immer beliebter, sowohl bei Reisen als auch bei Tagesausflügen: Rund ein Drittel der Tagesausflügler:innen nutzten für die Anreise die Bahn (29 Prozent im Vergleich zu 24 Prozent im Vorjahr), bei den Radreisenden waren es sogar 37 Prozent (33 Prozent im Vorjahr). Das Auto hat dagegen an Bedeutung verloren und liegt nur noch bei 35 Prozent (41 Prozent im Vorjahr).
Obwohl die Bahn für viele Radfahrende das Verkehrsmittel der Wahl ist, sind immer mehr Menschen unzufrieden mit dem Angebot. Die Hälfte der Radreisenden beklagt allgemein Probleme bei der An- und Abreise mit der Bahn. Drei von vier Reisenden (75 Prozent) beschweren sich über zu wenig Stellplätze in den Zügen (50 Prozent im Vorjahr). Die Hälfte der Befragten fand zudem die Bahnhöfe insgesamt nicht fahrradfreundlich.
Christian Tänzler betont, wie wichtig eine gute Fahrradinfrastruktur bei der Bahn für die Mobilitätswende ist: „Der Radtourismus hat das Potenzial, die klimafreundlichste Urlaubsform überhaupt zu werden. Dafür braucht es aber nicht nur gut ausgebaute Radwegenetze, sondern auch eine gute Infrastruktur für die An- und Abreise. Immer mehr Radreisende nutzen dafür die Bahn statt das Auto, das ist eine tolle Entwicklung. Umso wichtiger ist es, dass die Bahn ihre fahrradfreundlichen Angebote weiter ausbaut. Hier ist noch viel Luft nach oben. Wir fordern, dass die Bahn in ihren neuen Zügen mehr Fahrradstellplätze schafft und ihre Bahnhöfe endlich fahrradfreundlich und barrierefrei gestaltet. Außerdem müssen die Buchung der Fahrradmitnahme, der Zugang zu den Fahrradabteilen und die Fahrradstellplätze im Fernverkehr verbessert werden.“
Streckentouren und Camping zunehmend beliebt
Die ADFC-Radreiseanalyse zeigt: 7 von 10 Reisenden (71,5 Prozent) entschieden sich 2022 für eine Streckentour, also eine Radreise entlang einer Route mit wechselnden Unterkünften, das entspricht dem Niveau vor der Corona-Pandemie (67 Prozent im Vorjahr). Gründe für die Radreise sind, Land und Leute kennenzulernen (rund 80 Prozent) und im Urlaub aktiv zu sein (rund 69 Prozent). Umweltfreundlichkeit spielt für 56,4 Prozent eine Rolle (52 Prozent im Vorjahr) und eine wachsende Zahl wählt den Radurlaub, da es eine erschwingliche Art des Reisens ist (21 Prozent, im Vorjahr 15 Prozent). Neun von zehn Radreisenden organisieren den Urlaub selbst und schätzen flexible und spontane Routenplanung und Unterkunftswahl. Campingplätze werden für Übernachtungen immer beliebter (29 Prozent, 20 Prozent im Vorjahr).
Weser-Radweg auf Platz 1, Allgäu holt auf, Bayern bleibt Favorit
Bei den beliebtesten Radfernwegen lag 2022 wie schon in den Vorjahren der Weser-Radweg auf Platz eins, gefolgt von Elberadweg und Ostseeküstenradweg. Unter den meist besuchten Radregionen hat das Allgäu am stärksten zulegt und liegt jetzt 6 Plätze höher als im Vorjahr. Die Bodensee-Region klettert von Platz 3 auf Platz 1, neu hinzugekommen in den Top 10 sind die Regionen Nordsee (Schleswig-Holstein) und Rügen/Hiddensee. Bei den beliebtesten Bundesländern liegt Bayern vorne, gefolgt von Niedersachsen und Baden-Württemberg.
35 ADFC-Sterne für Radfernwege
Im Rahmen der Präsentation der Ergebnisse der Radreiseanalyse auf der Tourismusmesse ITB in Berlin zeichnet der ADFC acht Radfernwege und zwei Regionen als neue ADFC-Qualitätsprodukte aus. Fünf Sterne und damit die Höchstwertung erhalten der Neusiedler See-Radweg, der Drauradweg und der Diemelradweg. Vier Sterne gehen an die Vennbahn, die Friedensroute, den Iller-Radweg, die Radrunde Allgäu und den Weser-Radweg. Als ADFC-RadReiseRegionen werden die Regionen HellwegBörde und Seenland-Oder-Spree ausgezeichnet.
Hintergrund zur ADFC-Radreiseanalyse
Die ADFC-Radreiseanalyse ist eine bundesweite repräsentative Online-Befragung zum fahrradtouristischen Markt in Deutschland. Sie findet seit 1999 jährlich statt, in diesem Jahr nahmen rund 12.500 Personen ab 18 Jahren teil. Als Radreise wird eine Reise definiert, die das Radfahren als eines der Hauptmotive hat und mindestens drei Übernachtungen umfasst. Alle Ergebnisse finden Sie im Webdossier zur Radreiseanalyse 2023.